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Hösle, Vittorio

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Lebenslauf

Geboren: 25. Juni 1960 in Mailand

Vittorio Hösle wurde als Sohn eines Romanistikprofessors geboren. 1966 übersiedelte seine Familie von Mailand zurück nach Deutschland, nach Regensburg. Von 1977 – 1982 studierte er Philosophie, Allgemeine Wissenschaftsgeschichte, Klassische Philologie und Indologie in Regensburg, Tübingen, Bochum und Freiburg. 1982 – erst 22-jährig – promovierte er in Tübingen mit einer philosophiegeschichtlichen Arbeit. Drei Jahre später habilitierte er sich bereits in Tübingen mit einer Arbeit über Subjektivität und Intersubjektivität bei Hegel. Ab 1986 lehrte er Philosophie als Privatdozent in Tübingen, als Associate Professor an der New School for Social Research in New York, als Gastprofessor in Ulm und Zürich, als ordentlicher Professor an der Universität-Gesamthochschule Essen und als Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover. Seit 1999 lehrt er Philosophie an der University of Notre Dame in Indiana (USA).


Bedeutung

Vittorio Hösle ist ein bedeutender deutscher Philosoph der Gegenwart, dessen Philosophie der ökologischen Krise in aktuellen Debatten einen wichtigen ethischen Standpunkt markiert.


Lehre und Gedanken

In seinem 1990 erschienenen Werk „Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie“ unterzieht Vittorio Hösle die Gegenwartsphilosophie einer scharfen Kritik, da sie sich nicht mehr um die große Synthese, um ein umfassendes System bemühe, sondern von einem Spezialistentum beherrscht sei, der den Blick aufs Ganze verstelle. Außerdem nehme die aktuelle Philosophie viel zu wenig Stellung zu den drängendsten Fragen der Zeit und biete mit ihrem Verzicht auf letzte Begründungen auch keine Wertorientierung mehr. Eine rein ökonomisch orientierte Rationalität, wie sie in der Gegenwart zu beobachten sei, ist defizitär. Einer ethischen Rationalität, die auf einem Sittengesetz im Kantischen Sinne beruhe, ist nach Hösle der Vorrang zu gewähren.

Als Gegenmaßnahme schlägt Hösle zunächst eine Philosophie eines objektiven Idealismus in Anlehnung an Hegel vor, ersetzt allerdings Hegels absoluten Geist mit der Kategorie der Intersubjektivität. Hösle ist der Meinung, dass mit Habermas’ und Apels Diskurstheorie die Intersubjektivität ein für alle mal als unhintergehbar erwiesen worden ist. Das heißt auch, dass hinter die Erkenntnis, dass der Mensch nur Mensch ist in Gemeinschaft mit anderen, dass er nur in Kommunikation mit anderen denken und handeln kann, nicht zurückgegangen werden kann.

In seinem grundlegenden Werk „Moral und Politik“ versucht Hösle auf über tausend Seiten dann, den zuvor nur theoretisch angedachten Vorrang der ethischen Rationalität praktisch umzusetzen, indem er eine in sich geschlossene politische Ethik vorlegt. Diese soll der fehlenden Orientierung und dem Werteverlust in der gegenwärtigen Gesellschaft entgegenwirken. In historischen und metaethischen Betrachtungen zeigt er Möglichkeiten der Politik auf, ethische Grundsätze zu entwickeln und umzusetzen. Dabei verweist er vor allem auf die Vereinten Nationen, für die er mehr Einfluss fordert, um gegen die weltweite Armut v. a. in den Entwicklungsländern oder gegen die ökologische Krise vorzugehen.

In dem 1991 erschienenen Vortragsband „Philosophie der ökologischen Krise“ wendet Hösle seine an Hegel geschulte objektive Philosophie auf eines der drängendsten Probleme der Menschheit an: auf die ökologische Krise. Diese Krise bedrohe zum ersten Mal in der Menschheitsentwicklung „das Ganze“ des Menschseins. Nach Hösle beraubt sich der Mensch durch Plünderung der Natur und Ausrottung der Arten in verheerendem Ausmaß grundlegender Werte, die in den tierischen und pflanzlichen Arten angelegt und verwirklicht wären. Daher ist es nicht vertretbar,

„dass der Erfüllung jeder Laune des Menschen alles Beliebige, was nur natürlich ist, zum Opfer gebracht werden darf. In einer Art etwa, dem Resultat eines Jahrmillionen währenden Selektionsprozesses, ist soviel Differenziertheit, soviel natürliche Weisheit geronnen, dass ihre Vernichtung nur dann moralisch sein kann, wenn sie etwa menschliches Leben bewahren hilft.“ (Vittorio Hösle: Philosophie der ökologischen Krise)

Eine Umweltethik, wie sie Hösle vorschwebt, müsse einen Gesamtzusammenhang zwischen Geist, Natur und Gesellschaft entwerfen, in dem erst die notwendigen moralischen Regeln bereitgestellt werden können.


Hauptwerke von Vittorio Hösle

„Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie“ (1990)
Vittorio Hösle: Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie. München: C. H. Beck 1997.

„Philosophie der ökologischen Krise“ (1991)
Vittorio Hösle: Philosophie der ökologischen Krise. Moskauer Vorträge. München: C. H. Beck 1994.

„Moral und Politik. Grundlagen einer Politischen Ethik für das 21. Jahrhundert“ (1997)
Vittorio Hösle: Moral und Politik. Grundlagen einer Politischen Ethik für das 21. Jahrhundert. München: C. H. Beck 2000.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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